...erlebte ich Freitag Nacht.
Kaarina und ich hatten Karten für ein Konzert der Band 69 Eyes (finnischer Rock in Englisch). Das Konzert begann um 23 Uhr und so blieb reichlich Zeit, vorzuglühen. Kaarina hatte einen "recreation evening" mit ihrer Projektgruppe von der Arbeit und nachdem diese in einem Restaurant gegessen (und getrunken) hatten, ging es in den "Klub", der einer der am Projekt beteiligten Firmen gehört. Kaarina rief mich an und lud mich ein auch zu kommen. Also radelte ich durch die sternklare (kalte) Nacht und stellte mein Rad vor dem "Klub" ab. Ich drehte mich um und wurde zur Begrüßung gedrückt... von wem eigentlich? Nach einigen Sekunden des Ûberlegens wusste ich wieder wen ich vor mir hatte: Jussi. Den hatte ich schon mal beim Mittagessen gesehen und später auch nach Eingangsdaten für meine Filterstruktur gefragt. Ich kenne ihn also nach finnischen Maβstäben überhaupt nicht. Wem das nicht weiter seltsam vorkommt, sollte beachten, dass sich diese Situation in Finnland abspielt. Sein Begleiter war Tomi, mit dem ich vor dem Sommer mal zusammen gearbeitet hatte (was nicht bedeutet, dass er mich bei der Arbeit auf dem Flur grüßt...), der hier aber recht aufgeräumt wirkte und noch reden konnte.
Mir wurde ein halbes Bier angeboten und wärend die beiden rauchten, dufte ich mich über die Band Kraftwerk unterhalten, schließlich komme ich aus Deutschland ;-). Ich weiß leider so gut wie nichts von dieser Band, was Jussi aber nicht davon abhielt, es im Verlauf des Abends noch mehrmals anzusprechen.
Der "Klub" war eine Einzimmer-Wohnung, die sich hauptsächlich durch ihren mit Bier gefüllten Kühlschrank auszeichnete. Ich traf einen Haufen recht bis sehr betrunkener Arbeitskollegen an. Innerhalb von 40 Minuten schaffte ich es, drei Bier zu trinken und 7 abzulehnen ;-).
Das Konzert der "69 Eyes", Vertreter des Finnischen Rocks auf Englisch, war unterhaltsam und eingängig -- Mainstream auf Finnisch ist besser auszuhalten als Mainstream auf Deutsch.
Nachher: Die anderen suchen, den müde waren wir nach dem Konzert nicht gerade. Also: Anrufen, und schon der dritte Anruf war erfolgreich, nachdem es bei 1 und 2 etwas schwierig war, zu verstehen um was es ging, teilweise wussten die Leute auch nicht so genau wo sie gelandet waren oder konnten es nicht mehr in finnischer Sprache ausdrücken.
Wir fanden sie also in einer Ouluer Kneipe, die mir bisher unbekannt war und in der man draussen sitzen kann -- mit Heizstrahlern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kein Problem. Sehr nett eigentlich, bis darauf, dass unsere Mitstreiter in den Stunden unserer Abwesenheit noch ein bischen was getrunken hatten. Nachdem es mir gelungen war, aus einem Gespräch über "Kraftwerk" zu entfliehen, versuchte sich jemand, der nicht mehr geradeauslaufen oder -sprechen konnte, sich hinzusetzen. Das klappte dann sogar nach einigen Versuchen. Ich musste dann leider dringend nach Hause...
Dieser Bericht erfüllt natürlich mal wieder jegliche Klischees, aber es war so. Wie können sich erwachsene Menschen um die 40 in der Öffentlichkeit mit ihren Arbeitskollegen so abschießen? Der Umgang mit Alkohol ist wirklich ein anderer als in Deutschland, was sich auch in der Getränkeauswahl ausmacht. Einen mindestens gleich hohen Marktanteil wie Bier hat "Cider", beliebt (und verhältnismäßig billig) auch in Geschmacksrichtungen wie "Vanille", "Erdbeere" oder "Birne" -- mit anderen Worten: Geschmacksrichtung "abartig süß/ungenießbar/Gesagetränk". Die Zielgruppe hierfür sind nicht nur Teenager sondern auch Altersgruppen darüber und nicht nur Frauen. Aber: Die Finnen betrinken sich natürlich nicht ständig besinnungslos, noch nichtmal jedes Mal, wenn sie Alkohol haben... aber einige Finnen bestätigten mir, dass es für sie schwierig ist "mittelviel" zu trinken. Es geht entweder ein Bier oder viele.
Hinzu kommt vielleicht auch, dass diese Ausrutscher in Finnland belächelt und mehr oder weniger akzeptiert werden. Während man in Deutschland ein Held ist, wenn man viel trinkt und man einem die Betrunkenheit nicht anmerkt, ist man in Finnland ein Held, wenn man viel trinkt und sehr betrunken ist.
Warum das so ist, konnte mir bisher niemand erklären. Harri (Freund und Arbeitskollege, der seit einigen Jahren überhaupt keinen Alkohol mehr trinkt) meinte, die finnische Trinkmentalität wäre wie die osteuropäische. Aber das ist auch keine Erklärung. Immerhin sind die Finnen dann nicht mehr schüchtern ;-).
Dienstag, 23. Oktober 2007
Ein bischen zu viel finnische Kultur
Eingestellt von Imke um 16:18
Labels: Mentalität, Nachtleben
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Hallo Imke,
ich bin im Internet zufällig über den Blog von Karen aus Turku zu Deinem gestolpert....ich lebe seit letztem April auch in Finnland (Turku), erst auch als Diplomandin, jetzt arbeite ich hier und ich hatte das Gefühl, dass ich bei Deinem eigentlich MEINEN Blog lese!:o))) Und da ich jetzt gerade über die "Kraftwerk"Diskussionen gestolpert bin (die ich auch seeehr gut kenne ;), dachte ich spontan, ich schreib mal....
Wie lange planst Du zu bleiben?
Viele Gruesse aus dem Süden:)
esther
Hallo,
willkommen -- sehr schön, eine Leidensgenossin zu haben ;-).
Im Moment plane ich, nach der DA noch länger zu bleiben -- ich habe eine feste Stelle ab April *freu*. Bist du auch assimiliert?
Viele Grüsse!
Imke
Kommentar veröffentlichen