Sonntag, 20. September 2009

Mal wieder Herbst

Obwohl ich mein Wandertagebuch aus dem Sommerurlaub immer noch nicht fertig abgetippt habe, ist hier schon länger Herbst. Nicht umsonst heisst September auf Finnisch "Herbstmonat". Die Bäume haben sich schon stark verfärbt, auch wenn bei Karen anderslautende Propaganda verbreitet wird. Dadurch, dass es noch so warm ist, scheint der "Indian Summer" dieses Jahr nicht so ausgeprägt zu sein, aber das kann ja noch werden.

Nach ein paar Wochenenden mit Sturm und Regen haben wir gestern sogar die Motorräder nach Kajaani gefahren und in ihren Winterschlaf versetzt.
Auf dem Rückweg mit dem Zug haben wir eine Menge Zugvögel gesehen, in einem Feld sogar
sehr grosse. "Guck mal, Gurken!", sagte ich zu Jyrki, was beweist, dass es im Finnischen zu viele ähnliche Wörter gibt und dass das Wort für Kranich nicht sehr fest in meinem finnischen Wortschatz verankert ist. Sehr majestätische Vögel; garnicht gurkenhaft spazieren sie über eine sumpfige Wiese, kurze Zeit später sehen wir noch ein paar fliegende.

Finnischer Herbst macht es einem ziemlich leicht, vom Sommer Abschied zu nehmen -- der hat schliesslich auch nur kurz vorbeigeschaut, man kennt ihn ja nur flüchtig (Galgenhumor auf eher niedrigem Niveau...).

Freitag, 11. September 2009

Käsivarsi, Tag 9

Tag 9 -- Durch die Wüste

Nach dem gestrigen Tag inklusive Nachtwanderung sind wir morgens ziemlich müde und
versuchen, die Sonne, die aufs Zelt scheint zu ignorieren; das klappt allerdings nicht besonders lange. Nachts scheine ich jedoch gut geschlafen zu haben. Mir wird berichtet, dass in der Nacht eine Rentierwanderung direkt an unserem Zelt stattgefunden habe, was recht laut gewesen sein muss, denn einige Rentiere tragen Glocken.
Heute wird mal wieder Weg gemacht -- geradeaus geht es nach Osten dem Ziel entgegen. Es ist wirklich warm -- wir schwitzen in der brennenden Sonne. Weit und breit kein Baum oder Strauch und kaum ein Windhauch. Gegen Mittag kommen wir an einer norwegischen Hütte vorbei. Das Thermometer zeigt 25 Grad im Schatten, nur schade dass es hier weit und breit keinen Schatten gibt.
An der Hütte vorbei fliesst ein Fluss recht steil in einem tiefen Canyon, allerdings kann er seine volle Wirkung nicht entfalten, weil er im Moment nicht viel Wasser führt. Aber dafür kommen wir mal wieder einfach über den Fluss. Hinter der Hütte führt ein Weg an einem Fjäll vorbei, aber irgendwie ist Harri sehr überzeugend, dass der beste Weg direkt über das Fjäll führt. Der Weg sei total steinig und andersrum ums Fjäll sei sehr weit. Na gut, dann halt mal kurz ein paar hundert Höhenmeter aufsteigen -- bei der Hitze ziemlich anstrengend. Oben machen wir eine längere Pause, gut, dass es in Lappland immer genug Trinkwasser gibt.
Wir sehen ein verrücktes Rentier, es rennt wild und so schnell es kann kreuz und quer durch die Tundra. Bei dem Wetter könnte es auch gut ein Zebra in der Savanne sein...
Irgendwann kommen wir an einen zweiten Canyon, wo es Felsen und deswegen sogar ein bischen Schatten und viele Spinnen gibt. Noch weiter im Osten treffen wir auf den Weg, eine Brücke und zwei Zelte. So langsam kommen wir wieder in zivilisationsnahes Gebiet. Wir haben heute mindestens zehn Leute gesehen. Auch wir haben geplant, an dem Fluss zu zelten, verziehen uns aber ein bischen flussaufwärts ausser Sichtweite.
Heute fällt der Abendspaziergang etwas kürzer aus als gestern, wir laufen einen Kilometer
zum nächsten kleinen Hügel, von dessen Gipfel wir unser Ziel Kilpisjärvi sehen können. Fotos
hab ich heute keine gemacht. Die Landschaft war auch heute schön und unter anderen Umständen durchaus beeindruckend, kann aber mit den vorangegangenen Tagen nicht ganz mithalten. Ausserdem bin ich heute hauptsächlich müde und nicht sehr aufnahmefähig.

Dienstag, 8. September 2009

Käsivarsi 2009, Tag 8

3.8.2009 Gipfelsturm

Heute bauen wir unser Lager am Fluss ab und ziehen weiter nach Norden. Bei dem momentanen Wasserstand können wir sogar diesen bisher größten Fluss (vorher schon tagelang als große Wataktion von Harri angepriesen) durchqueren, ohne die Wanderstiefel ausziehen zu müssen. Allerdings fordert das einiges an Zickzack und vor- und zurücklaufen, so dass es vermutlich schneller gewesen wäre, einfach zu waten...

Nordwärts laufen wir bis auf eine Anhöhe. Ein Blick zurück zeigt, wie seltsam die Seiten der Berge hier manchmal "gewellt" sind. Hier lassen wir unsere Rucksäcke liegen um unseren ersten "richtigen" Gipfel zu erklimmen. Der Berg ist sorgfältig ausgesucht, damit sogar wir das schaffen ;-) Und tatsächlich kommen wir diesmal oben an. Der Weg führt zunächst über Geröll, Felsen und Schneefelder. Über weite Strecken sind die Schneefelder die einzige Möglichkeit einfach nach oben zu kommen, aber natürlich sind auch die Schneefelder an diesem Berg voller Rentiere. Nach einer philosophischen und verhaltensbiologischen Diskussion darüber, warum eine Herde Rentiere immer wegläuft und nicht z.B. ein Rudel Wölfe einfach überrennt, ein Gedanke der bei einigen hunderten behörnten Paarhufern schon naheliegt. Andersgesagt, sie sind durchaus in der Masse respekteinflößend.
Dennoch machen wir uns auf den Weg am Rande des Schneefelds. Und natürlich werden wir nicht überrannt, sondern zunächst mal wieder angestarrt. Dann plötzlich entscheidet sich die Herde, die Flucht anzutreten. Sehr eindrucksvoll eine Herde Rentiere auf dem Schnee nach unten galoppieren zu sehen -- allerdings finden sie uns nach ein paar Metern dann doch wieder nicht mehr so gefährlich und kommen hinter und wieder gemütlich nach oben getrabt.

Weiter oben gibt es dann eine kleine Kletterstelle, die wir aber bravourös meistern -- und dann haben wir tatsächlich den Gipfel gestürmt. Oben auf dem Berg gibt es ein Plateau auf dem auch Mal wieder ein Grenzstein steht. Als wir auf die andere Seite des Plateus gehen wollen, bewegt sich plötzlich etwas -- zwei Steinadler, gut getarnt zwischen den grauen Steinen, haben hier anscheinend ihr Nest. Wir haben auch auf dem Weg zum Berg schon Adler gesehen, die durch Tiefflug über den Schneefeldern Rentiere erschreckten. Ein beeindruckendes Bild.

Wir ziehen uns also wieder auf "unsere" Seite des Gipfels zurück und genießen den Ausblick über die Berge. In vielen Tälern gibt es Gletscher, manchmal sind die Täler fast vollständig davon ausgefüllt. Auf dem Bild oben schauen wir zurück auf den Pass zwischen Pältsän und Moskkugaisi wo wir vor ein paar Tagen hergekommen sind.
Hilfreicherweise hat Harri die Koordinaten unserer Wanderstöcke und Rucksäcke, die auf dem Weg zurückgelassen wurden gespeichert, denn in den Steinhaufen sind beide wirklich kaum zu entdecken. Weiter geht es nach Norden, und bald entdecken wir einen perfekten Zeltplatz, so dass wir beschließen, schon etwas eher als geplant das Zelt aufzubauen.
Wir beschließen, das Kochen auf später zu verschieben und einfach ein bischen Essen aus der Ration von Tag 11 zu klauen. Denn der Berg ruft schon wieder -- wir wollen noch wenigstens ein Stück zum Barras und das Meer sehen. Barras ist der Berg, der auf dem nächsten Bild aussieht wie eine Haifischflosse (das Bild ist allerdings zwei Tage später aufgenommen...).

Wie auf der Karte deutlich zu sehen, ist die Tour für einen Abendspaziergang recht ordentlich, wir gehen um 7 Uhr abends los und Harri schätzt, dass wir wohl so um Mitternacht zurück sein werden. Wir müssen erstmal ein Tal durchqueren, und es geht zum ersten Mal seit dem Beginn unserer Reise so tief runter, dass hier sogar richtige Bäume wachsen -- und natürlich auch genügend Gestrüpp, durch das man sich kämpfen muss. Die Baumgrenze liegt bei 500-600 Metern über NN. Der Bach im Tal hat sich einen richtigen Canyon in den Fels gegraben, glücklicherweise finden wir gleich einen Weg über ein paar Felsen. Auf der Nordseite des Canyons geht es dann steil hoch, aber mir macht das nichts, denn es gibt reife Blaubeeren! Das genügt mir als Motivation für ein paar Kilometer. Bisher haben wir nur grüne Blaubeeren und Krähenbeeren (die natürlich in Massen) gesehen. Es bleibt recht steil, aber dafür wandern wir jetzt über eine Wiese. Erst auf 1000 Metern Höhe verwandelt sie sich in eine Geröllwüste. Wir klettern auf einen Sattel am Berg und können endlich nach Norden sehen, allerdings nicht bis zum Meer. Ein beeindruckender Blick ist es trotzdem. Im Gegenlicht sieht man den Otertind, den berühmten Berg, von dem jedes Jahr ein paar Norweger herunterfallen. Anscheinend kann man den Berg ohne Equipment besteigen, aber der Weg herunter ist wohl nicht so ganz einfach.
Ein scharfer Wind treibt uns irgendwann wieder den Berg runter -- allerdings meint Harri, dass seine Knie den steilen Abstieg vielleicht übel nehmen würden und so gehen wir einen Umweg, auf dem es weniger steil ist. Auf dem Rückweg finden wir nicht so schnell einen Weg über den Canyon -- und als wir es schließlich geschafft haben, finden wir ein Hügellabyrinth vor, es geht ständig steil rauf und runter. Ein weiteres Mal sind wir froh über das GPS-Gerät, denn wir sehen das Zelt erst, als wir fast direkt davor stehen. Es ist ein Uhr und wir fangen an Abendessen zu kochen. Das war mit Abstand der längste Tag unserer Wanderung -- und der mit den meisten Höhenmetern.

Dienstag, 1. September 2009

Käsivarsi 2009, Tag 7

2.8.2009 Eine Runde durchs Isdalen

Heute können wir unser Zelt stehenlassen und machen einfach einen Spaziergang ohne viel Gepäck ins nahegelegene Isdalen (Eistal). Gestern abend haben wir schon auf unserem Abendspaziergang einen Blick hinein geworfen und es sah ziemlich unspektakulär aus, aber man konnte auch nicht so richtig weit sehen. Wir nehmen natürlich nicht den offiziellen Pfad, sondern halten uns erst auf der westlichen Talseite.

Der Name des Tals ist passend gewählt: es gibt riesige Schneefelder im Tal und irgendwo weiter oben einen Gletscher. (Bild oben: Suchbild mit Mensch) Vegetation gibt es kaum, dafür um so mehr interessante Steine und Felsbrocken aller Größen bis hin zum Einfamilienhaus. Ein krasser Gegensatz zum grünen Hufeisental, was direkt daneben liegt.
Der Wegfindungsalgorithmus ist vormittags: Der Nase nach nach links und oben. -Das geht eine Weile gut und beschehrt uns einen schönen Ausblick über einen See, aber irgendwann stellen wir fest, dass wir wohl nicht den geschicktesten Weg gewählt haben, als wir eine Stelle mit riesigen Felsbrocken traversieren müssen, wo es weder rauf noch runter geht (bzw. sehr steil sowohl rauf als runter...), aber mit den Stöcken und manchmal auf allen Vieren geht es dann doch langsam. Dann stehen wir plötzlich vor dem Gletscher und dem vorgelagerten See in dem Eisblöcke treiben. Viele Steine hier bestehen hauptsächlich aus Glimmer und glitzern in der Sonne. Spätestens hier stellt man fest, dass das Isdalen doch recht spektakulär ist. Ich habe in diesem Szenario ein bischen Schwierigkeiten mit Abständen und Größen und schlage vor, auf einem einladend aussehenden Stein auf der anderen Seite des Sees Pause zu machen. Klar, sagt Harri. Als wir einige Zeit später vor dem fünf Meter hohen und zumindest für uns nicht zu erklimmenden Stein stehen, beschließen wir vielleicht doch irgendwohin zu gehen, wo nicht alles auf Nimmerwiedersehen zwischen die Felsbrocken fallen kann -- die nebenliegenden winzigen Steine sind nämlich auch ziemlich groß und die Spalte dazwischen tief...
Nach der Mittags- und Sockenlüftpause geht es weiter ums Tal -- erstmal müssen wir einen Weg vom Gletscher wieder nach unten finden. Felsbrocken mit einem Durchmesser von wesentlich größer als Beinlänge, locker aufgeschichtet, erweisen sich als recht hinderlich. Aber irgendwann finden wir mal wieder ein Schneefeld. Ab hier geht es deutlich schneller bergab, schliesslich kann ich inzwischen auch "Skifahren". Etwas respekteinflößend ist ein kleiner Bach, der auf unter einer Seite des Schneefelds fliesst. Wir bleiben so weit es geht auf der anderen Seite. Von unten sieht man sehr schön, dass man die Gletscheranhöhe wesentlich geschickter hätte verlassen können -- von oben sah es ganz anders aus.Wir durchqueren ein paar Bäche und machen dann an einem weiteren See Pause. Endlich finden wir auch Wasser, das nicht vom Gletscher gespeist wird. Gletscherwasser hat seltsame Sedimente, das möchte man nicht trinken. Weiter gehts über Steine, Schnee und Felsbrocken, erstaunlicherweise man manchmal auch über kleine Blumen, die zwischen den Steinen hervorlugen. Schließlich sehen wir den Nordkalottleden, der sich den Pass heraufschlängelt, und ein paar Wanderer, die sich ausruhen. Leider müssen wir um zum Weg zu gelangen, einen recht breiten Fluss queren -- und das auch noch mit Zuschauern... die Watschuhe sind praktischerweise im Zelt. Zuerst sieht es so aus, als sei es kaum möglich, trockenen Fußes das andere Ufer zu erreichen, aber schließlich entscheidet sich Harri für einen langen Sprung auf einen spitzen aus dem Wasser ragenden Stein und ich mich, das lieber nicht nachzumachen. Dafür habe ich die tolle Idee, an einem kleinen Wasserfall über viele kleine Steine zu klettern, was für etwas Adrenalin sorgt aber irgendwann auch gelingt. Auf der Ostseite des Tals gibt es tatsächlich Gras und die Füße sind froh, mal wieder etwas weicheren Untergrund zu spüren. Es ist Abend und wir wandern gemütlich zurück zum Zelt. Das Isdalen ist tatsächlich von Menschen bevölkert -- außer denen, die uns bei der Flussquerung beobachtet haben, sehen wir noch einen einzelnen Wanderer ;-) Trotzdem irgendwie sehr zivilisationshaft. Auch die Rentiere nutzen die grandiosen Schneefelder im Isdalen (ein paar Gruppen sind mal wieder in schwindelerregende Höhen geklettert, obwohl die Berge im Isdalen fast senkrecht ansteigen. Zu dieser Jahreszeit scheinen sie nur zum Essen mal ins Tal zu kommen.
Der kleine Spaziergang dauerte tatsächlich den ganzen Tag -- wir haben noch nichtmal mehr die Energie, nach dem Essen einen Abendspaziergang zu machen.