Samstag, 21. April 2007

Tornio


Am Wochenende vor Ostern habe ich mit Kaarina zusammen deren Eltern besucht. Tornio liegt 150 Kilometer nördlich von Oulu an der Grenze zu Schweden. Der Torniojoki (Torniofluss) fließt direkt an der Sauna des Hauses vorbei -- und er war natürlich noch so weit gefroren, dass man bequem darauf skifahren konnte.
Kaarinas Eltern leben, soweit ich das beurteilen kann und Kaarinas Aussagen zufolge ziemlich
traditíonell (man könnte auch altmodisch sagen ;-) ). Das führt dazu, dass man ständig finnisches Essen bekommt -- aber finnisches Essen wird in einem gesonderten Artikel, der auch schon halb fertig ist, beschrieben.
Auf jeden Fall leben Kaarinas Eltern zusammen mit ihrem schwedischen Lapphund Nappe zwischen Fluss und Wald, ca. 12 km vom Stadtzentrum von Tornio entfernt. Kaarinas Vater bwirtschaftet ein Waldstück, daher bezieht die Familie ihr Holz zum Heizen ihres Hauses. Das ist übrigens völlig untypisch aus Stein. Genau wie Kaarinas Mutter war er vor seiner Pensionierung Lehrer.
Nachdem wir den ersten Abend in Tornio hauptsächlich damit verbrachten, in Schweden Süßigkeiten zu kaufen und danach abendzuessen, ging es am nächsten Tag querfeldein durch den Wald -- auf Skiern. Für mich, die bisher hauptsächlich ordentlich gezogene Loipen gewohnt war, war das erstmal etwas abenteuerlich. Normalerweise braucht man übrigens auch zumindest ein Minimum an Loipe oder wenigstens geplätteten Schnee um zügig vorwärtszukommen. Im Frühling ist es jedoch häufig so, dass es Nachts ordentlich friert, tagsüber aber die Sonne den Schnee antaut. Dadurch entsteht "hanki" (Schnee mit einer Eisschicht darauf), den man bequem und ohne Spuren zu hinterlassen befahren kann. Besonders eindrucksvoll ist das, wenn man ein freies Feld aus unberührtem Schnee überquert. Man wird auf hanki übrigens auch ziemlich schnell ;-)
Nach einer ziemlich langen Fahrt kamen wir am Torniojoki an. Ein paar Kilometer flussaufwärts gab es dann auch die in Finnland obligatorische Feuerstelle und wir konnten Würstchen grillen und uns Schweden anschauen, dass auf der anderen Seite des Flusses lag.
Nappe war natürlich mit von der Partie, er hielt sich tapfer bis zum Schluss. Er ist ein Hund mit einem stark entwickeltem Pflichtgefühl und so musste er seine skifahrende Familie natürlich begleiten. Als wir wieder zuhause angekommen waren, sank er jedoch erstmal in sich zusammen und zog es vor, den Rest des Tages liegend zu verbringen. Allerdings waren auch Kaarina und ich nach diesen vielleicht 20 Kilometern Skifahrt und der ganzen frischen Luft schlafbereit.
Da Samstag war, ging es abends in die holzgeheizte Sauna. Davon wird man natürlich auch nicht wacher... schließlich konnten wir uns aufraffen und abendessen. Zudem bekam ich in Ermangelung eines eigenen ungelesenen Buches den "Zahlenteufel" auf Finnisch in die Hände. (noch nie gelesen? Vermutlich seid ihr jetzt zu alt dafür...)

Gut dass ich den schonmal gelesen hatte -- sonst hätte ich vermutlich garnichts verstanden.
Hier einige hilfreiche Vokabeln, falls ihr mal in eine ähnliche Lage kommen solltet:
Teufel: Piru oder Perkele (letzteres ist allerdings ein Schimpfwort)
Traum: uni
Taschenrechner: taskulaskin
... soviel zu den Wörtern, die mit T anfangen ;-)

Am nächsten Tag mussten wir Nappe überlisten, denn er hatte einen Muskelkater vom Vortag (sah übrigens ziemlich lustig aus, auch wenn der Arme kaum laufen konnte) und war definitiv nicht in der Lage mit nach Tornio zu fahren... mein Muskelkater hielt sich erstaunlicherweise in Grenzen. Trotz seiner Unfähigkeit sich mit mehr als 2 km pro Stunde fortzubewegen, wäre Nappe tödlich beleidigt gewesen, wenn man ihn nicht mitgenommen hätte.
Also durfte er mit Kaarinas Vater im Wald skifahren -- während wir uns kurz nach deren Aufbruch in die Gegenrichtung flussabwärts Richtung Tornio aufmachten. Es ging gegen den Wind. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ein bischen Wind die Geschwindigkeit so beeinträchtigen kann. Aber ich als alte Radfahrerin konnte natürlich auch Windschattenskifahren...
In Tornio fand an diesem Wochenende ein Eisfischwettbewerb statt. Dazu werden sämtliche Teilnehmer des Wettbewerbs für ein Wochenende auf ein gewisses Stück Eis mit ihren Eisbohrern und den 20cm langen Eisangeln losgelassen. Wer die meisten Fische fängt hat gewonnen -- ein einfaches Prinzip ;-). Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Finnen in ihrer Freizeit den Eisbohrer schultern und sich stundenlang damit beschäftigen, auf dem Eis herumzusitzen (kalt!) und mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit nichts zu fangen... aber der Fischfang ist bei dieser Beschäftigung wohl auch nicht die Hauptsache.

Auf unserem Rückweg hatten wir den Wind im Rücken, dafür war es aber schon Nachmittag und der Schnee wurde weich und ein paar Kilometer vor dem Ziel fing es an leicht zu regnen. Aber wir (besonders ich) schafften es trotzdem, ohne jegliche fremde Hilfe anzukommen -- auch wenn es am Ende etwas beschwerlich wurde. Das war meine längste (ca. 26 km) und bis jetzt auch letzte Skifahrt, an denn Wochenenden nach Ostern war es zu warm. Der Frühling kommt vermutlich bald -- auch wenn immer noch kein grüner Grashalm zu sehen ist.

Am Montag nach diesem Wochenende mussten mir meine Arbeitskollegen erstmal erzählen, dass "normale" Finnen überhaupt nicht so leben (die haben keinen Lapphund und essen viel lieber italienisch und überhaupt...) -- aber ich habe das Wochenende sehr genossen.

Dienstag, 10. April 2007

Levi Extreme

Ich bin ein bischen in Verzug mit meinem Blog gekommen, ich hoffe man verzeiht mir.
Dafür wird es in den nächsten Tagen (hoffentlich) häufiger mal Einträge geben -- zu erzählen
gibt es auf jeden Fall genug.

Besonders aufmerksame Leser haben vielleicht bereits entdeckt, dass irgendwann in den letzten Wochen ein Link zum Fotoalbum "Levi Extreme" aufgetaucht ist.
Levi Extreme ist ein schöner aber etwas unpassender Name für eine Skitour des "Nokia Ski Clubs", dessen Mitglied ich neuerdings bin, nach Lappland. Wir waren weder in Levi, noch war die Unterbringung, wie vor einigen Jahren "extrem". Trotzdem war es eine sehr schöne Tour.
"Wir" waren zehn "Nokia People" verschiedenen Alters aus Oulu. Von meinen Mitfahrern kannte ich nur Kaarina, die auf der gleichen Etage arbeitet wie ich (auf den Fotos in rosa) -- aber mit den anderen kam ich auch nach und nach in Kontakt. Nachdem am ersten Abend aus Müdigkeitsgründen fast ausschließlich finnisch gesprochen wurde (schlecht zu verstehen) und auch das erste Frühstück ziemlich zäh verlief, konnte man am nächsten Abend (besonders nach ein paar Bier :-P ) gut Englisch reden und es wurde sehr lustig. Nachdem ich meine unglaublichen Finnischkenntnisse ausgepackt hatte, konnten andere Leute ihre etwas besseren Deutschkenntnisse testen -- aber Englisch war dann doch eine gute Alternative.
Die Unterkunft wurde übrigens von Nokia bezahlt -- wir haben in einer Hütte an einem riesigen See mit holzgeheizter Sauna unser Dasein gefristet ;-). Übrigens, der Mitgliedsbeitrag des Nokia Ski Clubs beträgt fünf Euro pro Jahr.
Besonders der Samstag hat mir gut gefallen, da waren wir am "Pallastunturi". Ein Tunturi, auch Fjäll genannt, ist ein seltsam zuckerhutförmiger Berg in Lappland. Die Vegetationsgrenze ist in diesen Breitengraden so niedrig, dass alle diese "Tunturis" eine Glatze haben, obwohl sie gerade mal etwa 500 Meter hoch sind.
Das wirkt sich natürlich auch auf die Skipisten aus... diese sind schön breit und häufig nicht besonders steil. Dafür kann man auch so ziemlich überall abseits der Pisten fahren -- man sollte nur dafür sorgen, dass man am Ende an einem Lift auskommt, sonst wird die Sache etwas anstrengend.

Pallas ist ein Naturpark, in dem keine neuen Lifte oder Hotels gebaut werden dürfen. Deshalb besteht das Skigebiet aus einem alten Hotel (natürlich aus Holz), einer kleinen Skiverleihhütte und zwei Schleppliften. Die Natur ist dafür traumhaft. Hinzu kommt, dass wir praktisch einen Lift für uns alleine gemietet hatten ;-) So ungestört bin ich noch nie Ski gefahren. Im ganzen Skigebiet waren vielleicht 15 oder 20 Leute unterwegs.

Am Sonntag waren wir dann in einem "richtigen" finnischen Skigebiet -- in Ylläs. Das unterscheidet sich von der Atmosphäre her garnicht so sehr von alpinen Skigebieten (es gibt z.B. Apreski, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in den Alpen) -- schon allerdings im Bezug auf die Schwierigkeit der Pisten: Diese waren teilweise so flach, dass man kaum noch ordentlich vorwärts kam.

Noch erwähnt werden sollte, dass ich auf dieser Tour den Polarkreis überquert und ein Nordlicht gesehen habe. Während ersteres sehr unspektakulär geschah war das Nordlicht eine echt schöne Erscheinung. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich werde es versuchen:
Am nächtlichen Himmel tauchte zunächst ein schwacher Schleier auf, der immer heller wurde. Das Nordlicht. Die Farbe war gelblich. Was man auf den Fotos von Nordlichtern nicht sieht ist, dass sie leben: Das Nordlicht wanderte über den Himmel, änderte seine Konsistenz, Lichtstärke und Ausdehnung und zerfaserte schließlich etwas und wurde schwächer. Vermutlich muss man ein Nordlicht gesehen haben, um diese Schilderung zu verstehen. Wie Kaarina, meine Mitfahrerin, bemerkte, ist Oulu allerdings viel zu südlich um ordentliche Nordlichter zu sehen.

In Oulu wird es derweil Frühling -- aber sehr, sehr langsam. Ich kenn jemanden, der Ostern hier sehr gefroren hat (Grüße :-P). Vermutlich seid ihr bald von meinen andauernden Skiberichten erlöst -- zumindest ist es in Oulu nur noch an sehr ausgesuchten Plätzen möglich, durch die Gegend zu rutschen.
Während ich von einigen Wochen noch in der Lage war, auf Skiern von der Arbeit nach Hause zu fahren, ist der Schnee inzwischen ziemlich weit getaut und hat dabei die verschiedensten Zustände angenommen. Hilfreicherweise schneit es aber immer mal wieder...
Ich bin vorletzte Woche zum ersten Mal mit meinem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Oulu ist wirklich gut zum Radfahren, auf cirka zehn Kilometern Weg zur Arbeit muss ich an genau zwei Ampeln warten -- alle anderen Straßenüberquerungen sind mit Tunneln oder zumindest ohne Ampeln gelöst. Bei gutem Wetter auf jeden Fall eine schöne und etwas bewegungsbetontere Alternative zum Bus -- allerdings kann man auf dem Fahrrad weniger gut Vokabeln lernen.