Dienstag, 30. Dezember 2008

Weihnachten an verschiedenen Punkten im Raum-Zeit-Kontinuum

Ich hoffe dass noch jemand einen Weihnachtsartikel lesen möchte -- ich bin wie meistens ein bischen spät dran. Dafür ist der Artikel sowie die Überschrift um so länger ;-)


Ich hatte mir nie klargemacht, dass ich tatsächlich 24 Jahre lang immer zu Hause auf die mehr oder weniger selbe Art und Weise Weihnachten gefeiert habe. Es gibt Rituale, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben, und von denen ich teilweise garnicht wusste, dass sie existieren, und besonders nicht, dass sie mir fehlen würden.

In meiner Familie geht Weihnachten nämlich eigentlich so:
Imke und ihr Vater organisieren einen Weihnachtsbaum am 23. oder 24., denn vorher muss die fünfköpfige Familie üblicherweise tagelang diskutieren, ob man denn dieses Jahr wirklich einen Baum braucht wo doch alle schon erwachsen sind und so weiter. Dadurch wird dann das Tannenbaumbesorgen und auch die erwischten Baumformen interessanter. Der Baum wird vorzugsweise mit dem Schlitten geholt, das klappt so in ca. 10% der Fälle, sprich 2 Jahre von 20.

Das Weihnachtsbaumschmücken findet am 24. um 2 Uhr statt, denn da läuft in NDR 4 "Hilfe die Herdmanns kommen" -- jedes Jahr. Das ist ungefähr so wichtig wie Weihnachten bei Hoppenstedts. Neben "normalem" Christbaumschmuck kommen bei uns Schokokringel an den Weihnachtsbaum, die man auf Fäden auffädeln muss, deswegen nimmt das Schmücken so ca. den Nachmittag in Anspruch.

Weihnachtsmusik live mit bis zu drei Mitwirkenden und in teilweise interessanter Besetzung (z.B. Posaune, Gitarre, Pikkoloflöte).

Und echte Kerzen am Baum. Die Finnen halten das ja für lebensgefährlich, aber der Effekt, der sich einstellt, sobald die Kerzen an sind und sich die Familie im Wohnzimmer versammelt hat, ist schwer durch Strom zu ersetzen (und das sagt die Elektrotechnikerin...). Es ist dann einfach plötzlich Weihnachten und selbst wenn der 24. eher gespannt verlaufen ist, ist das dann erstmal vergessen -- zumindest bis die Kerzen wieder aus sind ;-).

Diesmal also nicht, sondern: Weihnachten für Erwachsene. Klingt langweilig, war aber durchaus entspannend ;-). Die Magenverstimmung, die ich die Tage vor Weihnachten hatte, muss aber nicht unbedingt Tradition werden.
Ne Menge Schnee gabs, Jyrki und ich sind hauptsächlich querfeldein und auf Loipen skigefahren (klappt aber nicht, wenn man drei Tage nichts gegessen hat), auf dem gefrorenen Fluss spazieren gegangen, haben gelesen, Spiele gespielt, lange geschlafen (aufstehen wenns hell wird ist dann so um 11...) und gegessen (oder auch nicht).
Die Hauptspeise zu Weihnachten ist in Finnland Schinken. Diese Schinken gibts in teilweise furchterregenden Größen, aber auch als 'sinkkukinkku' (Singleschinken), überall zu kaufen. Der kommt dann ca. einen Tag in den Backofen und dann kann sich die Großfamilie drei Wochen davon ernähren. Ein etwas gewöhnungsbedürftiges Konzept, dass aber zumindest in Jyrki's Familie nicht so totalitär durchgeführt wird, d.h. es gab auch noch andere Sachen zu essen. Zum Schinken gibts alle möglichen Arten von "Kisten", wie die Finnen Aufläufe nennen. Hauptsächlich so Sachen mit Steckrüben und Möhren irgendwie süß gewürzt. An Heiligabend isst man Milchreis, der in einem großen Topf gekocht wird. Beim Kochen wird eine Mandel in den Reis gemischt. Wer die findet, hat das ganze nächste Jahr Glück. Traditionell ist es üblich, dass Jyrkis Bruder diese Mandel immer findet, so auch dieses Jahr. Und ein Rentier fand sich auch noch an, und so gab es am 3. Weihnachtstag 'poronkäristys', gebratenes Rentier. Dafür wurde eigens der Holzherd befeuert. Sehr lecker!

Interessanterweise ist die Bescherung in Finnland ein bischen anders als in Deutschland (wobei hier die Stichprobengröße nicht für repräsentative Aussagen geeignet ist): Während man in Deutschland Geschenke ja schon eher persönlich übergibt wird in Finnland Joulupukki, der Weihnachtsmann, verantwortlich gemacht. Es ist dann also so, auch unter Freunden, dass man eine Tüte mit den Worten "Joulupukki kavi", also "der Weihnachtsmann war da", überreicht bekommt. Auch bei der Bescherung werden alle Päckchen mit Namen versehen und dann "anonym" verteilt. Seltsam, und etwas schwierig zu beschreiben. Zu mir kam er übrigens auch.

Finnen bekommen übrigens alle mindestens einen solchen Pralinenkarton geschenkt. Diese Pralinenkartons gibt es in verschiedenen Farben und Herstellern, sie scheinen aber zu mindest in der Größe genormt zu sein.

Und als Belohnung für alle, die sich diesen Artikel tatsächlich bis zum Ende durchgelesen haben, noch ein paar Fotos von typisch finnscher Beleuchtung:
Und -- weiß jemand was das hier ist?

Und dann noch meine ersten Eislaternen, zumindest in diesem Jahr.
Alles in allem lässt sich Weihnachten in Finnland gut aushalten. Allerdings werde ich es nächstes Jahr hoffentlich wieder nach Hamburg schaffen -- dann kann mein Finne einen Gastbeitrag darüber schreiben wie seltsam Weihnachten in Deutschland gefeiert wird.

2 Kommentare:

Ansku hat gesagt…

Ui, das hört sich schön an. Das freut mich, dass Ihr so schöne, entspannte Weihnachten hattet. Es stimmt, es gibt diese festen Traditionen, die sich unbemerkt einspielen und ich würde die auch ganz gerne ein einziges Mal "durchbrechen", um eine andere Perspektive zu bekommen und um danach die Traditionen bei uns wieder mehr wertschätzen zu können. Und vor allem, last but not least! um einmal dem Weihnachtsstress hier entgehen zu können. Irgendwie gehört das ja dazu, aber irgendwie war's dieses Jahr etwas viel Stress (und leider auch Streit). :(

Was auf dem Photo ist, erkenn ich leider irgendwie grad nicht.

(Ich bin gespannt auf Jyrkis Gastbeitrag nächstes Jahr. :)) )

Ansku hat gesagt…

Ach ja, und ich lese sehr gerne Weihnachtsgeschichten, es ist immerhin gerade mal Silvester, da geht das noch ohne Probleme. Nervig wäre das erst nach Hl. Drei Könige. :)